Zwischen Gefahrenprojektion, Verdinglichung und Ausbeutung medizinische Selektionen polnischer ziviler Zwangsarbeiter*innen vor ihrer Deportation ins Deutsche Reich

Autor/innen

DOI:

https://doi.org/10.18778/0208-6107.37.04

Schlagworte:

NS-Zwangsarbeit, medizinische Untersuchung, Arbeitsfähigkeit, Objektivierung

Abstract

Polnische zivile Zwangsarbeiter(-innen), die für den Arbeitseinsatz im nationalsozialistischen Deutschen Reich vorgesehen waren, mussten – bevor sie die deutsche Grenze passierten – medizinisch untersucht und entlaust werden. Damit wollten die deutschen Arbeitsbehörden sicherstellen, dass nur arbeitsfähige Personen, die frei von Infektionskrankheiten und Ungeziefer waren, nach Deutschland deportiert wurden. Im Beitrag diskutiere ich, inwiefern die medizinischen Untersuchungen als Techniken der Verdinglichung und Entmenschlichung der Zwangsarbeitenden betrachtet werden können. Dabei steht die Frage im Vordergrund, wie die NS-Behörden „Arbeitsfähigkeit“ definierten, denn das medizinische Urteil über die Arbeitsfähigkeit war entscheidend bei der Auswahl der ausländischen Arbeitskräfte. Ich zeige, dass Faktoren wie Arbeitskräftebedarf, Zwang und Gewalt die Definition von Arbeitsfähigkeit maßgeblich beeinflussten, und stelle damit das Urteil über die Arbeitsfähigkeit der Zwangsarbeitenden in den Kontext der ideologischen und ökonomischen Prämissen des NS-Systems.

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Veröffentlicht

2020-12-30

Zitationsvorschlag

Hallama, E. (2020). Zwischen Gefahrenprojektion, Verdinglichung und Ausbeutung medizinische Selektionen polnischer ziviler Zwangsarbeiter*innen vor ihrer Deportation ins Deutsche Reich. Acta Universitatis Lodziensis. Folia Philosophica. Ethica-Aesthetica-Practica, (37), 35–50. https://doi.org/10.18778/0208-6107.37.04